Kaffee richtig verkosten: Aromen erkennen & bewerten

Die Kunst des Kaffee-Verkostens: Aromen richtig erkennen und bewerten

Weltweit erfreut sich Kaffee seit Jahrhunderten großer Beliebtheit. Doch während viele Menschen Kaffee vor allem als morgendlichen Muntermacher trinken, hat sich rund um das Getränk eine eigene Genusskultur etabliert – das sogenannte Cupping oder Kaffee-Verkosten. In diesem Beitrag erfährst du, wie professionelle Verkoster und ambitionierte Kaffeeliebhaber Aromen, Geschmacksnoten und Qualität eines Kaffees erkennen, bewerten und einordnen. Außerdem zeigen wir dir Schritt für Schritt, wie du selbst zuhause zu einem wahren Kaffee-Sommelier werden kannst.

Was bedeutet Kaffee-Verkostung?

Unter Kaffee-Verkostung versteht man eine standardisierte Methode zur sensorischen Analyse von Kaffee. Ziel ist es, den Geschmack, das Aroma, die Säure, den Körper, die Süße und den Nachgeschmack einer bestimmten Kaffeesorte zu beschreiben und zu bewerten. Ähnlich wie in der Weinverkostung kommt es auch beim Kaffee-Cupping auf feine Nuancen an, die über Anbau, Röstung, Zubereitung und Verarbeitung Aufschluss geben können.

Die Grundlagen der Aromenvielfalt

Kaffee ist ein komplexes Lebensmittel mit über 800 identifizierten Aromakomponenten. Diese entstehen einerseits während des Wachstums und der Fermentation der Kaffeekirsche, andererseits im Röstprozess. Aromen werden grundsätzlich in drei Hauptkategorien unterteilt: primäre, sekundäre und tertiäre Aromen.

Primäre Aromen stammen aus der Kaffeepflanze selbst und reichen von fruchtigen (z. B. Zitrus, Beeren) über blumige (z. B. Jasmin) bis hin zu würzigen Noten (z. B. Zimt, Kardamom). Sekundäre Aromen entstehen bei der Fermentation und Verarbeitung der Bohne – typische Vertreter sind etwa schokoladige oder nussige Eindrücke. Tertiäre Aromen bilden sich durch die Röstung und reichen von karamellig über rauchig bis hin zu toast- oder malzähnlich.

Sensorische Aspekte: So bewertet man Kaffee

Beim Cupping werden verschiedenen Kriterien berücksichtigt:

– Das Aroma wird bereits beim Mahlen und beim Kontakt mit heißem Wasser eingeatmet. Unterschiedliche Kaffees können z. B. Noten von Honig, Trockenfrüchten oder floralen Aspekten wie Rose aufweisen.

– Der Geschmack bezieht sich auf den Gesamteindruck auf der Zunge und im Gaumen. Ist der Kaffee süßlich, herb, ausgewogen oder sauer?

– Die Säure ist ein Qualitätsmerkmal im Spezialitätenkaffee. Eine angenehme, zitrusartige Säure kann den Kaffee lebendig wirken lassen. Ist sie jedoch zu dominant, empfindet man den Kaffee als „spitz“.

– Der Körper beschreibt das Mundgefühl. Ist der Kaffee leicht, cremig oder vollmundig?

– Der Nachgeschmack, auch Finish genannt, hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Hochwertige Kaffeesorten punkten mit einem langanhaltenden und angenehmen Abgang.

Die richtige Cupping-Methode

Die professionelle Verkostung folgt einem festen Ablauf, der weltweit anerkannt ist:

Zunächst wird der Kaffee grob gemahlen – etwa so wie grobes Meersalz. Dann werden 8 bis 12 Gramm Kaffeemehl in ein Cuppingglas gegeben. Anschließend kommt heißes Wasser (circa 93–96 °C) dazu. Nach vier Minuten zieht der sogenannte „Crust“ – eine Kruste aus Kaffeebrei – an die Oberfläche. Dieser wird mit einem Löffel vorsichtig weggeschoben, wobei man das erste Mal intensiv am aufsteigenden Aroma riecht.

Der Kaffee wird dann mit einem speziellen Löffel geschlürft – ein lautes Geräusch ist hier gewollt. Dadurch gelangt der Kaffee gleichmäßig auf die Geschmacksknospen. Verkostet wird in mehreren Durchgängen, um Entwicklung und Temperaturveränderungen zu bewerten.

Hilfsmittel für die Verkostung

Wer professioneller in das Thema einsteigen möchte, kann sich an der Scoring-Tabelle der Specialty Coffee Association (SCA) orientieren. Anhand eines 100-Punkte-Systems wird ein Kaffee auf Kriterien wie Uniformität, Sauberkeit, Süße und Gesamtbild bewertet. Ab einem Score von 80 Punkten gilt ein Kaffee als „Specialty Coffee“. Daneben ist das Kaffeearoma-Rad ein gutes Werkzeug zur Identifizierung von Geruchs- und Geschmacksnoten.

Die häufigsten Aromenprofile und deren Ursprung

Je nach Herkunft unterscheidet sich das Aromenprofil eines Kaffees deutlich:

– Kaffees aus Äthiopien sind bekannt für florale und zitrusartige Noten.

– Lateinamerikanische Sorten, etwa aus Kolumbien oder Guatemala, zeichnen sich durch eine ausbalancierte Süße, helle Fruchtigkeit und nussige Noten aus.

– Kaffees aus Indonesien wie Sumatra gelten als erdig, würzig und besonders vollmundig.

Die Anbaumethode spielt ebenfalls eine Rolle. So bringen Kaffees aus Höhenlagen (ab 1200 m) eher komplexe Säuren mit, während niedrig gelegene Bohnen oft weicher und schokoladiger sind. Auch die Verarbeitungsmethode, z. B. „washed“ (gewaschen) oder „natural“ (sonnengetrocknet mit Fruchtfleisch), beeinflusst Aromen und Klarheit.

Typische Fehler beim Kaffee-Verkosten

Beim Einstieg in die Welt des Cuppings passieren häufig kleine Fehler. Hier einige Dinge, auf die du achten solltest:

– Verwende immer frisches, gefiltertes Wasser und achte auf die richtige Temperatur von ca. 94 °C.

– Mahle den Kaffee kurz vor der Verkostung, da sich Aromen schnell verflüchtigen.

– Verzichte auf Parfum oder stark riechendes Essen vor der Verkostung; deine Sinne sollen nicht abgelenkt werden.

– Nutze standardisierte Gläser und gleiche Kaffeemengen, um Konsistenz zu wahren.

Kaffee mit allen Sinnen erleben

Cupping ist keine schnelle Angelegenheit. Vielmehr verlangt es Aufmerksamkeit, Konzentration und Achtsamkeit. Wer sich regelmäßig damit beschäftigt, wird merken, wie sich der eigene Geschmackssinn schärft. Was anfangs als „einfach nur Kaffee“ schmeckt, wird mit der Zeit eine komplexe Geschmackserfahrung mit Noten von Pfirsich, Earl Grey oder dunkler Schokolade.

Cuppings zuhause organisieren

Du kannst auch ohne teures Equipment erste Verkostungserfahrungen sammeln. Lade Freunde ein und veranstalte ein Blind-Cupping: drei bis vier verschiedene Kaffees aus verschiedenen Ländern, gleiche Zubereitung, keine Etiketten. So lassen sich Unterschiede spielerisch erschmecken – und neue Favoriten entdecken.

Kaffee als kulturelles Erlebnis

In einigen Kulturen gehört das gemeinsame Cupping zum Alltag. In Äthiopien etwa ist die traditionelle Kaffeezeremonie wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens. Auch in Skandinavien (vor allem Schweden und Finnland, wo der Pro-Kopf-Verbrauch am höchsten ist) gehört der bewusste Kaffeegenuss zur Lebensart. Die USA wiederum haben mit dem „Third Wave Coffee“-Trend eine neue Bewegung ausgelöst, die Kaffee ähnlich wie Wein zelebriert.

Fazit: Cupping als Schlüssel zur Kaffeewelt

Kaffee-Verkostung ist weit mehr als ein Trend. Sie ist ein stilvoller und genussvoller Weg, das weltweit beliebteste Heißgetränk neu zu entdecken – und dabei viel über seine Herkunft, Röstung und Verarbeitung zu lernen. Mit etwas Übung und Neugier entwickelst du ein geschultes Aroma-Gedächtnis und lernst eigene Vorlieben besser kennen. Ob fruchtige Africans, schokoladige Südamerikaner oder erdige Asiaten – die Kaffeewelt wartet nur darauf, von dir entdeckt zu werden.

Wenn dich das Thema Kaffee-Verkostung noch tiefer interessiert, empfehlen wir diesen umfassenden englischsprachigen Leitfaden von Perfect Daily Grind: How To Cup Coffee: The Complete Guide.


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